Wenn Antifaltencreme
nicht wirkt!

Der Blick in den Spiegel sagt Ricke: 'Du hast dich für deine 41 wirklich noch gut gehalten’
Ihre Figur kann sich immer noch sehen lassen! Und ihre Beine erst... Zugegeben, was ihre Beine angeht, da ist Ricke etwas nazistisch. Die Haut ist noch wunderbar glatt und ihre goldblonden Engelslöckchen oder auch Löwenmähne, je nachdem wie sie ihre die Haare frisiere – na ja gut, sind zwar derweil gefärbt und nicht mehr so Natur – lassen Ricke um einige Jahre jünger aussehen.
Kurz vor meinem 30. Geburtstag, sagte Ricke mal zu einer Freundin: „Wenn ich 40 werde und die Männer auf der Strasse sich nicht mehr nach mir umdrehen, bekommt meine Eitelkeit wohl ein Problem.“ Die 40 hab sie geschafft, aber zu diesem Problem schaffte Ricke es nie. Im Gegenteil... Mittlerweile glaube sie auch, dass es nicht die Jungend und das gute Aussehen ist, was eine Frau attraktiv macht, sondern die Reife. Nicht mehr schön sein wollen, um zu gefallen, sondern weil man sich für sich selbst bewusst als Frau erlebt und fühlt! Zu wissen was man im Leben erreicht hat, auf die eigene Erfahrung zurücksehen. Dieses Bewusstsein für sich selbst sowie dieser ganz eigene Stil, erzeugt die Aura. Sorgen bereitet Ricke lediglich diese blöde Sorgenfalte, die sich zwischen ihren Augenbrauen eingefressen hat. Die Antifaltencreme, die sie sich kaufte, scheint, wieder des Textes auf der Packungsbeilage, auch kein Erfolg versprechendes Mittel zu sein.

Vor einigen Jahren hatte Ricke beschlossen, sich ihrem Talent hinzugeben und schmiss den gut bezahlten Job im Management. Auch wenn es manchmal knapp wird, so bin sie doch glücklich mit dem was sie jetzt mache. Nach dem Auszug ihrer Kinder, entsorgte sie alle überflüssigen Möbel und zog in ein Appartement. Frei! Auch frei von materiellen Zwängen. Sie kann hinziehen wohin sie will ohne unnötigen Ballast. Na ja, ganz so einfach wird es wohl doch nicht. Es gibt schon Sachen an die sie sehr hänge. Ihre künstlerischen Arbeiten, wie ihre Ölbilder und Fotografien. Und ihre Bücher! Die Bücher sind bei einem Umzug immer der größte Problemfaktor. Nicht nur der Transport, sondern auch die Unterbringung in der neuen Wohnung. Aber Bücher wegschmeißen empfinde Ricke als Sünde. Nicht mal die Bücher die bei ihr unter der Rubrik „peinliche Lektüre“ fallen. Das sind Bücher, die sie zumeist von ihrer Mutter aufs Auge drückt bekam, weil diese der Meinung ist, Ricke wäre genau wie die Romanfiguren, die da wären: Sissi, Chalet aus „Vom Winde verweht“ oder die Mary (glaub, so hieß die) aus „Dornen Vögel“. Wer Ricke das Buch „Beim nächsten Mann wird alles besser“ schenkte, weiß sie nicht mehr. Gelesen habe sie es aber wohl nie. Wobei ich es schon ewig hat. Hm? Bevor sie sich noch mal mit so was wie Männer befasse, sollte sie es vielleicht doch mal lesen. Eventuell macht sie nur immer was falsch? Könnt ja hilfreich sein...? Oder auch nicht!?
Diese Bücher stehen in einem kleine Eckschrank hinter meinem Sofa. Muss ja nicht jeder gleich alles sehen!
Ricke weiß wirklich nicht mehr was sie suchte, jedenfalls wollte sie kürzlich aus diesem Eckschrank was holen. Beugte sich, etwas zu schnell wohl, über die Sofalehne und knallte mit dem Kopf voll auf die Kante des Schrankes. Sie faste an die Stelle, spürte die Sorgenfalte und ihr viel auf, dass die Antifaltencreme wohl doch nicht das richtige Mittel ist, dachte aber gleich an den derzeitigen akuten Ausbruch ihres chronischen Geldmangels. Mit einem Ruck saß sie wieder auf dem Sofa. Immer noch die Hand an der Stelle ihres Kopfes, den Schmerz unterdrückend, hörte Ricke sich frustriert sagen: „Okay, andere gehen zum Schönheitschirurgen, ich bevorzuge mal wieder die kostengünstigere Methode“.
Leider hatte Ricke das Ziel verfehlt, die Beule war zu weit links!

© Carmen Mroch 2005