Ein Spion wird bestraft

Das Haus in dem Fini lebte lag außerhalb des Dorfes, an der Strasse die zum Dorf führte. Gegenüber der Strasse wohnten Finis Freunde Axel und Karsten. Es war toll mit zwei großen Jungs befreundet zu sein. Axel war vier Jahre älter und Karsten zwei Jahre. Nur musste Fini schon früh lernen, dass es einen Unterschied gibt zwischen beruflich und privat! In der Schule kannten Axel und Karsten die kleine Fini nicht! War aber okay. Nach der Schule unternahm sie mit den Jungs eine ganze Menge. Axel brachte Fini bei wie man einen Drachen aus Leisten, Angelsehne und blauem Packpapier bastelte. Als sie diese auf dem Feld hinter dem Haus steigen ließen, riss die Schnur von Finis Drachen... und landete in dem doch etwas weiter entfernten Grundstück von Rettys Eltern. Fini mochte Retty gar nicht. Auch wenn er nicht weit weg wohnte, so spielte sie nie mit ihm und kannte ihn gar nicht weiter. Es war einer dieser blöden großen Jungs, die gerne kleine Mädchen ärgerten. Retty war nicht das Problem, der ging in Axels Klasse. Das Problem war Rettys Onkel. Rettys Vater war Förster und der Onkel half ihm im Wald. Dieser Onkel war taubstumm. Er brüllte immer nur mit einem lauten Stöhnen und alle Kinder hatten Angst vor ihm. Wenn man ihm beim ströpen im Wald begegnete, war besser wegzulaufen. Kinder brauchen wohl jemand in ihrer Kindheit, der irgendwie unheimlich ist. Sonst ist die Kindheit ja kein richtiges Abenteuer mehr! Wer holt den Drachen aus den Garten? Selbst Axel hatte Angst vor dem Taubstummen. Er bot Fini an, einen neuen Drachen zu bauen. Aber gerade diesen hatte Fini so schön bemalt. Sie wurde sehr traurig. Damit erweichte sie Axels Herz und er zog los den Drachen zu holen.
Hinter dem Gehöft von Finis Haus, hatte ihr Vater ein Kartoffelbunker gebaut. Es war ein richtiger Bunker, der in die Erde ging, oberhalb mit Holzbalken abgestützt und mit Stroh und einer Plane abgedeckt war, darüber war Erde gehäuft. Vom Sommer bis zur neuen Kartoffelernte im Herbst, war der Bunker ziemlich leer.

So konnte man ihn ideal als Zentrale Benutzen. Aus Brettern und Steinen bauten sie sich Tisch und zwei Bänke. Ein Stoffrest diente als Tischdecke und die Bänke waren mit alten Wolldecken gepolstert. Richtige Licht gab es nicht. Da konnte man sich jedoch mit einer Taschenlampe behelfen. Es gab unweit einen Schrottplatz. Fini stöberte mit den Jungs dort gerne mal, ob es nützliche und brauchbare Teile gab. Kurz vor der Kartoffelernte mussten sie zwar für ihre Schätze andere Plätze suchen. Aber der Hof hatte viele Verstecke. Wenn die andern auch nicht ganz so aufregend waren wie der Bunker. Ein – wer weiß was es vorher mal war – konnte gut als Funkgerät(-attrappe) dienen. Dieser wurde auf den Stützpunkt der Bande, eine Hochsitz am Waldrand, deponiert. Der Wald lag ca. 1 Km übers Feld entfernten. Einmal stiefelt Fini mit den Jungs übers Kartoffelacker und sah von einiger Entfernung aus, dass auf dem Hochsitz jemand war. Erst befürchteten sie, dass der Jäger ihren Stützpunkt aufgespürt hätte und es vielleicht ärger geben könnte. Aber als sie sich vorsichtig näherten, erkannten sie Retty! Ein Spion auf ihren Stützpunkt! Sie schlichen sich ganz nahe ran und warteten bis Retty den Hochsitz herunterkletterte. Dann wurde er überfallen. Auf den Hochsitz hatten sie ein Seil, das Retty scheinbar gebrauchen konnte. Dieses wurde ihm abgenommen und damit seine Hände auf dem Rücken gefesselt. Ab ging es im Laufschritt übers Kartoffelacker in Richtung Bunker! Retty stolperte wiederholt und viel hin – Unbarmherzig riefen die drei: „Aufstehen! Weiter!“ „Ihr wisst gar nicht wie es ist, wenn man die Hände auf den Rücken gebunden hat und laufen muss!“ jammerte und weinte er. „Für Spione gibt es kein Erbarmen!“ „Ich wusste doch gar nicht, dass es euer Stützpunkt ist!“ „Wenn du es gewusst hättest, dann wärst du erstrecht hingegangen!“ Im Bunker wurden Retty die Fesseln nach vorn gebunden und an einen Holzbalken festgemacht. Fini lief schnell ins Haus. Es war gerade Kaffeezeit und sie wusste, es gibt heute Pfannkuchen (Norddeutsch – woanders heißen die wohl Berliner). Sie Fragte, ob sie für sich und die Jungs Pfannkuchen und Brause mit raus nehmen durfte. Von Retty sagte sie nichts. Gefangene bekommen Wasser und Brot. So schlich sie sich noch schnell in die Küche und stiebietste einen Brotkanten, füllte eine Flasche mit Wasser und lud alles in einen kleinen Korb. So beladen ging sie wieder zum Bunker und deckte dort den Tisch. Sie speisten herrschaftlich. Retty konnte natürlich nicht losgebunden werde. Also hielt Fini ihm den Brotkanten und die Flasche mit Wasser vor dem Mund. Stellte aber fest, Retty hatte scheinbar weder Hunger noch Durst...

© Carmen Mroch 2005